Liz
Do, 11.01.24
Di, 09.04.24
Kesselhaus, Berlin
Dieser Termin liegt in der Vergangenheit.
LIZ hat viel erlebt in den zurückliegenden drei Jahren, vermutlich mehr, als ein junger Mensch überhaupt verarbeiten kann. Im großen Corona-Loch auf dem Radar erschienen, hat sie die Straße, die Rapszene und das Feuilleton mit ihrer Debüt-EP »Bleibe Echt« aus 2021 und dem ersten Langspieler aus 2022 gleichermaßen von sich überzeugt. Streamingzahlen schossen in die Höhe, LIZ nahm Songs mit alten Held*innen wie Schwesta Ewa, Celo & Abdi, Prinz Pi oder Ramo auf, sah sich statt in der S-Bahn über Nacht in Grand Plaza Suites und auf der splash!-Mainstage. Eigentlich eine romantische Aufstiegsgeschichte, das alles — würde LIZ’ persönliches Fazit nicht so dermaßen ernüchternd ausfallen. »Fühle mich allein, glaube das nennt man Erfolg«, offenbart sie auf ihrem zweiten Album »AMY WINEHOUZE«, scheint generell zerrissener denn je und beschreibt sich als Gefangene in einem Vakuum zwischen Traum, Trauma und Alptraum.
Schon der Titel ihres Zweitlingswerks spricht Bände, besonders im Abgleich mit dem Namen der Vorgänger-LP. Die hatte LIZ »MONA LIZA« getauft, inspiriert durch das berühmteste Gemälde der Welt, dem sie als Jugendliche während einer Paris-Reise minutenlang gefesselt gegenüberstand. LIZ hat sich im vielsagend-verführerischen und doch zurückweisenden Blick jener von da Vinci porträtierten Frau gespiegelt, in ihren Augen gelesen.
Und jetzt? Benennt LIZ ihre Platte nach einer Frau, deren Augen auf dem Gipfelpunkt ihrer Karriere nur noch leer waren — die sich, vom unverhofften Ruhm erschlagen, in den Rausch flüchtete, auf den größten Bühnen zusammenbrach und im Alter von 27 Jahren tragisch aus dem Leben schied. LIZ hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit Amy Winehouse’ Werk beschäftigt, ist Fan geworden, verbeugt sich im Zuge ihrer neuen Platte vor der Queen of Soul. Spiegelt sich »Lizzy« in Amy Winehouse? Zumindest auf einigen Ebenen. Amy, diese starke weibliche Stimme, musste sich in einer männerdominierten Industrie trotz ihres unbändigen musikalischen Talents doppelt beweisen — LIZ, die, wie sie rappt, »bis heute getestet« wird, kann davon ein Lied singen. Sie erkennt sich aber auch in Amys Versagensängsten, ihrer ungeraden Biografie, diesem Hang zum Exzess, zum Risiko, zum Drama, dieser pochenden, kaum definierbaren, nie endenden Sehnsucht.
LIZ ist in den letzten Jahren gependelt, ständig, rastlos, zwischen Frankfurt und Berlin. War sie in der Hauptstadt, hat sie ihren Plattenbau vermisst. War sie zurück im 069, plante sie direkt den nächsten Trip an die Spree. Es ist bezeichnend, dass LIZ ausgerechnet mit dem bedächtigen Stück »Main Grau« ins neue Album einsteigt — eine ungewohnt elegische Liebes- und Hasserklärung an ihre Heimatstadt, ihre Straßenvergangenheit und ihr neues Leben. Dieses Leben, dass LIZ viel »zu bunt« ist. Sie kämpft immer noch »allein gegen die Welt«, ob nun im Brennpunkt oder auf dem roten Teppich. Verändert, ja, weiterentwickelt hat sie sich trotzdem, das beweist schon »Main Grau« eindrucksvoll: Wo in der Vergangenheit Punchline-Feuerwerke, Rap-Skills und Crime-Attitüde dominierten, werden Emotionen nun neu kanalisiert. LIZ lässt die harte Schale bröckeln, tritt reflektierter, defensiver auf, spielt zugleich furchtlos mit Melodien. Mit »MONA LIZA« hat LIZ die Deutschrap-Szene zu ihrem Wohnzimmer gemacht, »AMY WINEHOUZE« ist jetzt mehr die Eingangstür zum Keller. Laut, sprachgewaltig, asozial und aggressiv sind »Lizzys« Songs noch immer — nur scheinen sie nun zwei Zentimeter tiefer unter die Haut zu gehen.
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