Mine
Nicht mehr verfügbar
Hinüber Tour
Präsentiert von: Präsentiert von: FluxFM
Support: plus Special Guest
Sa, 22.10.22
Columbiahalle, Berlin
Dieser Termin liegt in der Vergangenheit.
Dunkle Streicher, bedrohliche Trommeln. So geht es los. Und wird erstmal nicht leichter. Denn dann singt Mine mit dieser tollen Stimme, die alle Radiohits der Welt (und vor allem die deutschen) in
mindestens genauso schön singen könnte: „ Ich bin 100 Jahre alt / Mein Kopf ist voll, die Füße kalt /
Die ganze Welt hat sich auf meine Brust gesetzt / Der Mensch ist so ein argloses Geschöpf .“
Es gibt sicher flockigere Wege, ein Album zu eröffnen. Aber warum sollte man das tun – nach so einem
beschissenen Jahr? Und warum nicht den Leuten erst einmal diesen wuchtigen Songbrocken namens
„Hinüber“ an den Kopf werfen, in dem übrigens die große Sophie Hunger als Gast einen furiosen
Auftritt hat? Durchatmen kann man ja später. Das Titelstück und der Rausschmeißer „Unfall“ bilden
eine starke Klammer des im April erscheinenden Albums von Mine. Auch „Unfall“ ist direkt und
gesellschaftskritisch, ohne dabei belehrend zu sein. Vielmehr verbeißen sich Mines Fragen im eigenen
Denken: „Was ist Freiheit? Wer beengt mich? Was ist Arbeit? Wer beschenkt mich? Wer hat stets genug für sich? Wer starrt hungrig auf den Tisch?“ Im Gespräch sagt Mine: „ 2020 war natürlich wie gemacht dafür, ein wenig mehr nachzudenken, weil man viel Zeit mit sich selbst verbringen musste.
‚Unfall‘ fasst sehr gut zusammen, wie ich mich gefühlt habe."
Mit „Unfall“ eröffnete sie auch die Kampagne dazu. Mal wieder mit einer außergewöhnlichen Idee, wie man das von ihr so kennt. Auf der Website singMINEsong.de ließ sie ihren
musikalischen Fans und befreundeten Künstler*innen den Vortritt, teilte Noten und Text und lud alle ein, eigenen Versionen zu machen, bevor sie ihre veröffentlicht. Die Musik dazu brodelt und dröhnt, ist dann mal wieder ganz zärtlich, bäumt sich auf, fällt in sich zusammen, wirft einen durch den Raum.
Aber keine Bange: „Hinüber“ ist nicht die große Pandemie-Platte. Ein neues Album stand bei Mine eh an, obwohl „Klebstoff“ noch gar nicht so lange her ist. Sie hätte eh ein Jahr ohne eigene Tour gehabt.
Was zum Teil daran lag, dass die Zeit davor sehr gut für sie lief. Dank „Klebstoff“ war sie beim Preis für
Popkultur gleich in drei Kategorien nominiert, 2016 hatte sie diesen bereits als „Beste Künstlerin“
gewonnen. Ihre Tour war komplett ausverkauft, und – das unterschreiben wohl alle, die dort waren –
eine durch und durch herzenswarme Angelegenheit. Diese komische Jahr hatte allerdings trotzdem
Einfluss auf ihre Arbeit: „Ich musste feststellen, dass ich mehr Luft hatte, weil eben alle Live-Sachen
weggefallen sind. Ich habe also vielleicht mehr Arbeitszeit in dieses Album stecken können, als es
normalerweise möglich gewesen wäre. Die Liebe zum Musikmachen und auch die Euphorie waren
deshalb noch ein wenig krasser als sonst. Wobei das auch daran liegt, dass ich zwar immer schon viel
selbst produziert habe, aber meine Skills von Album zu Album gewachsen sind. Es hat mir einen Kick
gegeben zu merken, dass ich inzwischen komplett autark arbeiten kann, wenn ich will. Deswegen bin
ich an diesen Liedern gefühlt so nah dran wie nie zuvor.“ Wie sonst auch, waren ihre Wegbegleiter
Marcus Wüst und Dennis Kopacz, die seit Album Nummer eins dabei, weiterhin an der Produktion
beteiligt.
Als Gegenpol zu den politischen Stücken gibt es auf „Hinüber“ wieder diese ergreifenden, pointierte
Lieder über das Minenfeld der Emotionen und des Zusammenlebens. „Elefant“ ist da ein gutes Beispiel
– und ein Highlight. Hier singt Mine mal Kopfstimme, die Musik dazu ist fast funkig, als habe da
jemand viel Prince gehört in letzter Zeit. Textlich geht es natürlich, um den Elefant, der gerne mal im
Raum steht. Eine tolle, allseits bekannte Metapher, die endlich mal ihre eigene Hymne verdient hat.
Mines Augen strahlen, wenn sie darüber spricht: „Den Track feiere ich voll. Den habe ich geschrieben
und gleich gemerkt: Geil, der puncht. Die Idee kam mir, als ich mal nachmittags cheesy
Privatfernsehprogramm geschaut habe und da im Hintergrund so schlechte Fahrstuhlmusik lief. Diese
leichte Tänzeln fand ich faszinierend und wollte damit was machen.“
Man merkt schon jetzt, dass es weiterhin schwierig bleibt, bei Mine das „Klingt wie ...“-Referenz-
Karussell anzuwerfen. Ihre Musik hat in der deutschen Pop-Landschaft einen Sonderstatus. Man hört
ihren Songs an, dass sie gerne mit dem angenehmen Teil des deutschen HipHops arbeitet, Leuten wie
den Orsons, Edgar Wasser, Dexter, Crack Ignaz, Großstadtgeflüster, Samy Deluxe und natürlich
Fatoni. Gleichzeitig hat sie eine Affinität zu Popsongs, die mit einfachen Worten mehr sagen wollen und
eine ganz eigene Sprache sprechen – etwas, dass Tristan Brusch und Haller, oder auch Sophie Hunger in
ihren deutschsprachigen Stücken immer wieder hinbekommen. All die hier genannten Namen haben
übrigens tatsächlich schon mit Mine Songs aufgenommen – was vielleicht die These nahelegt, dass die
beste Mine-Referenz die Quersumme all ihrer stets handverlesenen Gäste ist.